„Bedenken Sie, er hat getötet, was er am meisten liebte, gewähren Sie ein mildes Urteil!“ So plädiert der Verteidiger 1985 in Wien für Winfried B., der seine Lebensgefährtin Konstantina auf offener Straße mit einer Pistole hingerichtet hatte. 2013 dann der Mord an Saskia. Er hat sich wiederum selbst zum Richter und Henker ernannt.
Eine „Beziehungstat“, wie es bis heute heißt. Auch in Kunst und Kultur ist „verirrte Liebe“ ein wiederkehrendes Motiv: Othello erwürgt Desdemona, Woyzeck ersticht Marie. Der Täter als tragischer Held, das Gemetzel eine Liebestat.
Aber was haben Konstantina und Saskia uns noch zu erzählen? Dabinnus arbeitet sich erneut durch Prozessakten, Befragungen, Notizen: Bei den Recherchen zu Winfried B. und dem System, das ihn gewähren ließ, tun sich weitere Abgründe auf.
Durch ein Arbeitsstipendium des Kultureferates München konnten 2019/20 die Vorarbeiten für diese Theaterarbeit angegangen werden. Eigene poetische Texte von Saskia Stetzer werden eingebunden, ebenso der Blog von Marion Zagermann, in dem sie über ihr Martyrium als Gefangene des Winfried R. berichtet und andere authentische Materialien.
In der Intimität des Theaters vermischen sich Zeit- und Raumebenen, wird verdichtet. Es gibt Kurzschlüsse und Momente und Situationen werden neu beleuchtet. Das Lügensystem, das dabei unter anderem zum Vorschein kommt weist bittere Parallelen zu Putin und der aktuellen Lage auf. Aber das nur „nebenbei“, das ist ein anderer Gewaltschauplatz.
In diesem Theater-Spiel kann sich jeder in der Position des Täters oder des Opfers spiegeln oder als Freundin, Freund oder Vertreter:in von Law and Order.
„Gedichte schreiben muß man so, daß, wenn man das Gedicht gegen das Fenster wirft, das Glas zu Bruch geht.“
Daniil Charms.
am Sonntag , den 3.7. und am Mittwoch, den 6.7., jeweils um 19.00 im Rahmen des 10. inklusiven –GRENZGÄNGER-THEATERFESTIVAL :
„Nehmen Sie die Untersuchungspille!“
(Ein Daniil Charms-Abend, den ich 2019/20 mit Mitgliedern des „Theaters Apropos“ erarbeitet habe)
AKTUALITÄT UND HISTORISCHER HINTERGRUND: In der aktuellen politischen Situation rücken die Texte und das Leben des Leningrader Künstlers Daniil Charms in ein scharfes Licht.
Putins aggressiver Machtanspruch nach aussen, seine diktatorische Willkür im Inneren des russischen Staates. Propagandalügen, Manipulationen, Verhaftungen oder gezielte Morde.
Vor 80 Jahren „verreckte“ -so muss man es sagen- Daniil Iwanowitsch Juwatschew, wie Charms mit vollem Namen hieß. Er schrieb dramatische und poetische Texte, war Mitglied einer experimentellen Theatertruppe, stand auch selber auf der Bühne. Ein Avantgardist aus den Leningrader Künstlerkreisen, so wie seine Bekannten Shostakovitsch oder Malewitsch. Einer, der sich keiner Ideologie oder verordneter Staatskunst anpassen wollte, der sich als Russe und Europäer sah, der der deutschen, französischen, russischen Literatur und Kunst verbunden war.
Charms` Vater hatte als Anarchist gegen die Willkür des Zarenreiches gekämpft. Nach der Oktoberrevolution erfüllte sich nur kurze Zeit die Hoffnung auf ein neues freies Leben. In den 1930er Jahren wurde Charms -wie viele andere Künstler- vom stalinistischen System ins Abseits gestellt. 1939 erfolgte der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Ein Diktator überfiel den anderen und Hitlers Wehrmacht attackierte Leningrad, das frühere St. Petersburg. Die Stadt sollte auf Befehl des Führers mit Bomben und Blockade ausgehungert und vom Erdboden getilgt werden. Zweieinhalb Jahre lang ging das. Eine Million Menschen verhungerte.
Wladimir Putin kam dort ein paar Jahre später auf die Welt. Auch seine Familie war Terror und Tod ausgeliefert gewesen. Und jetzt dreht er selber die Gewaltspirale immer weiter.
Daniil Charms‘ künstlerische Offenheit, sein absurder Humor, sein literarischer Ideenreichtum zeichnen ihn bis heute aus. Er liefert ein Feuerwerk aus abgründigen Dialogen, grotesken oder poetischen Geschichten, berührenden Tagebucheinträgen. Die Schikanen des Systems zeigen darin ihre Fratze. Charms versucht seine verzweifelten Späße darüber zu machen, will die Gespenster zu verjagen.
„Ein überaus kluger Mensch ging in einen Wald und verirrte sich darin“, schreibt Charms fast beiläufig. Die Charakterzüge dieses eigenwilligen Autors, bei dem Kunst und Leben sich nicht voneinander trennen lassen, seine Lebenslust und Lebensangst, sein Spaß an Verstellung und Satire werden vom Ensemble auf sehr persönliche Weise wiedergegeben.
Theater Apropos Seit einigen Jahren ist im Tams-Theater- in Zusammenarbeit mit dem Verein „Ariadne“- die inclusive Theater-Truppe „Theater Apropos“ beheimatet. Infos zu Theater Apropos und Ariadne
Der vollkommen unbekannte Showmaster Chico Turbinus
führt durch einen Abend voller Trash.
TamS goes TV. Eine Studio-Show mit allem Drum und Daneben.
Gemeinheiten und Geschmacklosigkeiten aller Art werden großzügig verteilt, neue sinnlose Produkte beworben und Tipps zu sexuellen Neigungen gegeben.
Es gibt News und Hintergründe, Stargäste brechen öffentlich zusammen und bei privaten Problemen schaltet sich die telefonische Seelsorge-hotline direkt ins Studio. Außerdem ein Kinder-Horrorhörspiel.
Schwarze Satire, Nonsense,Musik plus Fernsehballet
Von und mit Katja Amberger, Burchard Dabinnus, Katrin Bahr und Franz Josef Walter am E-Piano.
Am 28.02., 01.03., 08.03., 09.03. jeweils um 20:30 Uhr.
Burchard Dabinnus, Theatermacher, Regisseur, Schauspieler, Sprecher, Autor
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