Mord oder Totschlag?

 

Winfried Brenner wurde 1984 wegen Mordes in Wien zu 20 Jahren Haft verurteilt. Einen gewisssen Nachlass gab es trotzdem damals, man hätte auch ein tatsächliches Lebenslänglich verhängen können. Nicht alle Geschworenen waren überzeugt, dass er Konstantina Ulitsch absichtlich auf offener Strasse erschossen hatte. Andererseits waren die 20 Jahre für eine „Beziehungstat“ im Verhältnis zu sonstigen Verurteilungen doch ein relativ strenges Urteil.

2014, nach der Tötung meiner Cousine, bekam er wegen Totschlags die derzeit in der BRD höchstmögliche Strafe von 14 Jahren ( ein Jahr U-Haft angerechnet). Anschliessende Sicherungsverwahrung wird vom Gericht dringend angeraten. Der Anwalt der Nebenklage, Walter Lechner plädierte auf Mord. Die Kammer sah die Mordmerkmale nicht erfüllt. Man liess den Nachmittag vor der Tat im Diffusen und machte auf diese Weise doch ein Zugeständnis an die abgemilderte Tötungs-Version des Winfried B. ! Das Opfer Saskia Steltzer kann ja nicht mehr befragt werden.

Hätte es Möglichkeiten gegeben, ein Urteil wegen Mordes auszusprechen? Oder zumindest die Situation des Opfers vor der Tat zu würdigen? Bei genauerem Hinsehen durchaus. Ich habe mir erklären lassen, eine Würdigung des Opfers ist nicht Aufgabe des Prozesses, sondern nur die Aburteilung der Straftat. Und genau das ist es, was Wut und Trauer erzeugt. So wird das Opfer in gewisser Weise ignoriert und übergangen.

 

§ 211
Mord

 (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. 
 (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oderum eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

§ 212
 Totschlag
 (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. 
 (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. 


Da Winfried Brenner bereits als Winfried Ratajczak tötete und obwohl diese Tat weit zurück liegt, ist der Vergleich von Konstantina Ulitsch zu Saskia Steltzer klar: Er tötete diese Frauen, weil die Frauen sich trennen wollte. Er tötete, weil er für sich in Anspruch nahm, dass sowohl Konstantina 1984, als auch Saskia 2013, ihm gehören würden, sein Besitz seien. (Beiden gab er sinnigerweise den Namen Diana) Das zum Beispiel kann und darf man ja nicht anders als Habgier und somit als niedersten Beweggrund auslegen. Damit würde man dieses Verhalten, das sich ja in allen schrecklichen Variationen dauernd und überall wiederholt, als das benennen, was es wirklich ist: Mord.

Da hat sich das Gericht 2014 dann doch darum herum geschlichen. Aus Zeitersparnis, weil das Strafmass sowieso klar war, weil man sich nicht zu viel Mühe machen wollte, nochmal extra nachzuhaken?

Sie sollte sein Eigentum sein und bleiben. Er muss es direkt oder indirekt angekündigt haben. Es gibt dafür einen Zeugen, den Bruder von Winfried. Er hat das bei der Polizei zu Protokoll gegeben. Auch wenn er im Prozess nicht als Zeuge aussagen wollte, nichts mehr mit Winfried zu tun haben will. Wenn die Kammer gewollt hätte, hätte sie seine protokollierten Aussagen auf die eine oder andere Weise trotzdem auswerten können und müssen. Der Richter zitierte im Prozess kurz sogar daraus: Saskia habe am Telefon zum Bruder geäussert, dass sie Angst hätte zu sterben. Auch dass Winfried ein Messer habe und dass sie wisse, was er gemacht hat. Alles das bedeutet: Sie wurde von ihm bedroht, sie hatte Todesangst, er hat ihr eiskalt serviert, dass er bereits eine Frau getötet hatte, die sich trennen wollte.
Er war dazu bereit, die Grenze war duchbrochen, so weit war er und weil er diesen Schritt der eigenen Entlarvung bereits gegangen war, konnte er sowieso nicht mehr zurück.
In der Verhandlung machte er einen Ansatz zu einem Zugeständnis in Richtung Wahrheit: Er müsse zugeben, er hätte sie zum Schweigen bringen wollen, wegen eines drohenden Eklats. Das hat er miteinander verknüpft, die beiden Inhalte: Die Messserattacke und „zum Schweigen bringen.“ Niemand hakte bei dieser Aussage nach.
Es wurde quasi übergangen. Viele seiner Angaben, waren oft verschwurbelt und halbwahr. Aber an dieser Stelle steckte eine tatsächliche Wahrheit und Wirklichkeit dahinter. Warum hätte er das sonst so formuluiert, denn es war keine Schutzbehauptung mehr, keine Verdrehung.

Es blieb ihm, aus seiner Perspektive, keine andere Möglichkeit, als sie irgendwann zum Schweigen zu bringen. Denn er hatte sie in Geiselhaft genommen in der Wohnung, die Balkontür geschlossen. Er hat sie dann auch noch irgendwann mit dem Messer bedroht und gezwungen, sich auszuziehen, wie er das schon in anderen Beziehungen praktiziert hatte, er wollte sie mit dem Messer in der Hand zur Liebe zwingen. Sie schrie ihn an: „Hau, ab, lass mich in Ruhe!“ Sie wehrte das Messer ab. Sie befreite sie sich für einen Moment irgendwie und rannte nackt und in Todesangst und wahrscheinlich schon mit einer Stichverletzung, vielleicht hatte er sie beim Wegrennen mit dem Messer schon im Rücken erwischt, über den Wohnungsflur zur Tür auf den Treppenabsatz, schlug hinter sich die Tür zu, konnte vielleicht gar nicht mehr weiter und schrie: „Hilfe, ich sterbe jetzt!“, während er in dieser Sekunde bereits die Tür von innen aufriss und ihr rücklings mit aller Gewalt das Messer hineinschlug. Sie war gelähmt, ihr Rückenmark durchtrennt, sie sackte zusammen, er zog sie in die Wohnung und stach dann von vorn auf die am Boden Liegende ein. Das alles ist ein nicht wirklich nachprüfbares und doch sehr wahrscheinliches Szenario und von niedersten Beweggründen und seelischer Grausamkeit geleitet. Und schliesslich musste er mit seinem Gewaltakt auch die Straftat der versuchten Vergewaltigung und der Geiselnahme verdecken.

In der Urteilsbegründung, die -wie ich mir sagen liess- nur zu juristischen Zwecken dient, eine Revision auszuschliessen soll, hätte man zumindest einen Anklang dessen formulieren können, was anzunehmen ist.

Eine Begründung ist doch auch eine Hinterlassenschaft, ein Dokument
Sie ist nicht für die Öffentlichkeit und doch auch ein Teil Geschichtsschreibung, Niederlegung. Und dieses Dokument muss lügen, weglassen, um nicht anzweifelbar zu sein. Das ist -auch wenn Winfried B`s Verurteilung „fachgerecht“ war, bitter und traurig.