Lüge oder Wahrheit

Der Angeklagte im Prozess 2014

 

Ich selber hätte im Podcast gerne mehr von den Reaktionen und Einlassungen des Winfried Brenner, vormals Winfried Ratajczak ezählt. Ich habe ja auch den Prozess im Jahr 2014 mitgeschrieben. Aus den Verfahren des Jahres 1983 haben wir eine (auszugsweise ) Niederschrift, aus dem Prozess von 1985, der dann mit seiner Verurteilung wegen Mordes endete, die Prozess-Unterlagen, als auch seine ersten Geständnisse aus dem Februar 84. Des weiteren einige Protokolle der angefertigten Gutachten. Von Seiten der Redaktion musste aber vieles, was thematisch ebenso interessant wäre, herausgenommen werden. Das hatte letzlich Gründe der Dramaturgie bzw. der dann doch begrenzten Folgen und der vielen Inhalte, Personen und Geschichten, die wir ohnehin schon hineingepackt haben.


Seine Aussage bezüglich der Tat in Wien ist im Protokoll direkt nach der Festnahme am Abend des 12.2.84 direkt und vielleicht die „ehrlichste“ von allen Modifikationen, die er noch von sich geben wird:


„Ich habe am Freitag den 1o.2.1984 gegen 17.oo Uhr, meine frühere Lebensgefährtin Konstanina Ulitsch vor ihrem Wohnhaus in Wien 14., Kaltenbäckg. 2, nachdem ich dort auf sie gelauert hatte, ·mit meiner Pistole, Marke FN, Kaliber 7,65 mm, erschossen. Im Vordergrund meiner Tat stand Rache. Sie hat mich angezeigt und deswegen war ich eingesperrt. Sie hat auch meine Persönlichkeit zerstört. Den Mann, der mich hindern und halten wollte, habe ich angeschossen und beim Handgemenge mit meinem Messer niedergestochen. Dieses Messer wurde mir bei meiner Verhaftung abgenommen.“


Im Dezember 83 findet  das 1.Verfahren gegen ihn statt, weil er wegen Vergewaltigung, schwerer Drohung gegen Konstantina Ulitsch und wegen Betrugsdelikten in U-Haft sitzt. Er schreibt Konstantina Briefe aus dem Gefängnis, in denen er Reue zeigt und alles wieder gut machen will etc.  Sie will nichts mehr davon wissen, verständlicherweise. Das fasst er dann – nur als Beispiel für seine Art der Wahrnehmung – im längeren schriftlichen Geständnis am 13.2. folgendermassen auf:


„…..insbesondere konnte ich erkennen, daß ihr Verhalten nur von Haß gegen meine Person geleitet wurde. Ich war durch diese Erkenntnis so schockiert, daß ich vorerst keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich und sie wußten, daß ihre, bei Gericht beigebrachten Anschuldigungen zum Teil zu Unrecht bestehen und sie ihren unrechten Weg, den sie gegen mich eingeschlagen hatte, weiterverfolgen muß. Deswegen mußte sie mich immer aufs Neue belasten und neue Anschuldigungen vorbringen. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass mich Diana und ihre Mutter, die ebenfalls ihren Haß gegen mich versprühte, psychisch vernichten wollten. Ich kam zu dem Schluß, wenn mir Diana und ihre Mutter jede weitere Zukunft verbauen wollen, daß ich da reagieren müsse. Ich habe in Gedanken erwogen, Diana umzubringen, um von ihrem Haß befreit zu werden. Als Tatwaffe sah ich in Gedanken eine Pistole vor mir und stellte mir das Bild vor, wie ich sie erschießen werde. Von diesem Moment an, zog ich konkret in Erwägung, daß ich sie umbringen werde und ich habe damit begonnen alle Vorbereitungen zu treffen, damit ich dieses folglich einmal realisieren kann. Ich machte mir Gedanken wie ich mir eine Waffe beschaffen könnte.“

„Generell ist zu sagen, daß ich Dianahs Liebe wollte, nicht ihren Tod. Generell ist auch zu sagen, daß während der letzten beiden Wochen, insbesondere vor der Tat den Wunsch verspürte, Dianah zu töten, ich diesen Wunsch aber stets nicht bewußt werden ließ. Der Wunsch,begleitet von der Vision der Tat, daß ich Dianah also mit einer Pistole niederstrecken würde, erschien mir als Befreiungsakt….Eine seltsame Vorfreude erfasste mich, ein Gefühl, daß ich alsbald von einer mich erdrückenden Last befreit sein würde, Melodien von Schlagern hörte ich innerlich. Ich ging in die Kaltenbäckgasse….“
„Ich weiß undeutlich, daß ich auf Diana geschossen habe, sehe ein verwaschenes Bild, wie sie auf dem Bürgersteig liegt, erkenne dabei aber nicht die geringste Verletzung oder gar Einschüsse“


Aus diesen Zitaten aus seinem schriftlichen Geständnis vom 13.2.84 erkennt man das Schema, das er auch 2014 im Prozess anwendet. Man weiss nicht, was er davon tatsächlich auch  glaubt. Er leugnet nicht grundsätzlich das Geschehene, er findet aber tausendundeine Begründung, aus welchen Hemisphären er gesteuert worden sei und dass er das eigentliche Geschehen nicht mehr wirklich erinnere etc. Wobei seine Argumentation 2014 noch etwas anders gelagert ist, aber grundsätzlich hat sich in seinen Einlassungungen und an dem ihn selbst entlastenden System nichts verändert. Eigentlich ist er das Opfer. Etwas ist passiert, wofür er nur teilweise verantwortlich ist.


„…..kann passiert sein, an das ich mich in Einzelheiten nicht erinnern kann. Einzelne Bilder kann ich lediglich vergegenwärtigen, wovon eines ist, daß ich den mir zu dem Zeitpunkt seltsam klingenden Knall der Pistole höre, allerdings nicht in einer Vielzahl, so daß ich nicht weiß, wie oft ich gefeuert habe. Ich weiß nicht, wo ich örtlich die Schüsse auf Dianah abgegeben habe“


Im Prozess von 2014 wird er -auf den Mord an Konstantina Ulitsch in Wien angesprochen- etwas vom leisen Klang einer Kinderpistole erzählen. In Bezug auf den massivst von ihm verletzten Georg Blam, den Konstantina zu ihrem Schutz her gebeten hatte, der Winfried Ratajczak nach den Schüssen von hinten ansprang und mit ihm kämpfte und dem er durch die Schulter schoss und ihm schwerste Messerverletzungen zufügte, äussert er:
„Ich bedaure sehr,  jemanden verletzt zu haben, der sich in diese Angelegenheit einmischte, mit der Absicht zu helfen und Unheil zu verhüten. Diesen Mann zu verletzen war keine in irgendeiner Form geplante oder beabsichtigte Handlung. Ich wußte nicht, daß dieser Mann ein Kriminalbeamter war, wie mir später mitgeteilt wurde.“


Und sich selbst bedauernd, auf die Frage nach seinen finanziellen Verhältnissen:

„Ich habe kein Vermögen mehr, ich habe meinen ganzenVerdienst und mein Vermögen in Dianah investiert „


Was natürlich auch eine entsprechend haarsträubende Aussage ist, denn er ist schon vollkommen überschuldet aus der BRD zu Konstantina gezogen, hat in Österreich wiederum Schulden aufgehäuft, mit ungedeckten Schecks betrogen, nach seiner Freilassung im Januar 1984 von seinem Bekannten Mayer, der ihm einen Job und eine neue Unterkunft verschaffte, am Tattag 20.000 Schilling „geliehen“ und den Bekannten bei einem Verkauf von Heizungselementen aus dessen Lager um 14.000,- geprellt und sich anschliessend von dem Geld die Tatwaffe beschafft. Dies war ja bereits die zweite Waffe, die erste hatte man ihm bei seiner Verhaftung, nach der Vergewaltigung von Konstantina, der Wohnungszerstörung und der Geiselfahrt mit Waffe am Kopf von Konstantina abgenommen. Um von all dem abzulenken hatte er dann noch einen seiner inszenierten Selbstmordversuche unternommen und auf diese Weise Schutz in der Klinik gesucht.
2014, in der Rückschau, stellt er die brutale Taten von 1983 und 1984 stichpunktartig so dar:


„….. Sie ist oft nicht nach Hause gekommen, hat auf Fragen ausweichend geantwortet. Diese Situation habe ich nicht verkraftet, habe im Zuge des Ausnahmezustandes Wutanfall gehabt. Wurde verhaftet, habe Job verloren. Ein halbes Jahr später aufgrund Gutachten entlassen. Gelöbnis ihr sich nicht zu nähren. Berufliche Situation vorher: Nebengeschäfte mit Heizungsanlagen in der Wiener Peripherie. Mit viel Geld unterwegs. Braucht man Waffe dafür. Im Zuge dessen für 10000 Schilling Pistole besorgt. Nicht gedacht die Pistole später so ein…..hatte Pistole eingesteckt. Hatte sie gesehen, bin auf sie zugelaufen, habe sie erschossen. Habe nicht wahrgenommen, sie in Begleitung ihres Sohnes. Diese Ulitsch leider tötlich getroffen. Polizeibeamten verletzt mit Messer…“


Er ist ein Meister der rhethorischen Verschleierung. Er lügt so weit es ihm möglich erscheint. Was gar nicht zu leugnen ist, gibt er grundsätzlich zu. Diese Art von Darstellung wiederholt sich in allen Aussagen. Der Tod von Konstantina, später dann von Saskia wurde nur indirekt von ihm verursacht. Die Frauen haben ihn verletzt durch Zurückweisungen, ist der grundsätzliche Tenor.
In Wien wurde er 1983 in der U-Haft durch den verständnisvollen Psychiater  Dr. Gross, ehemals für die Euthanasie von Kindern zuständig, unterstützt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Gross  ) In dem Gesprächsprotokoll, das dem im Januar 1984 erstellten Gutachten zugrunde lag, fordert der Gutachter Winfried Ratajcak geradezu heraus, sich als Opfer dieser unberechenbaren Frau wahrzunehmen, die ihn und seine Liebe zu ihr ausnutzt. Auch sein Verteidiger Eichenseder schlägt genau in diese Bresche. Und er hat seine Meinung bis heute nicht revidiert. Wie er im Interview mit uns im Februar 2020 versichert, war der Mord an Konstantina Ulitsch nach der Haftentlassung von Ratajcak ganz klar eine „Beziehungstat“. ( Natürlich haben alle diese Taten einen Ursprung in einer privaten Beziehung, aber der Begriff bedeutet bisher- und leider auch in seiner Auslegung im Rechtssystem- dass man dem Mann zugesteht, er hätte aus einem verständlichen Motiv, Eifersucht etc. gehandelt und somit ist die Tötung der Partnerin mehr oder weniger ein Kavaliersdelikt, etwas, was eben mal passieren kann )
An den Mordprozess kann Eichenseder sich nicht mehr erinnern, er hätte keinen Akt mehr davon. Gut erinnern kann er sich aber an das Verfahren im Dezember 1983, wo eben Konstantina Ulitsch mit dem „Riesen- Busen “ auftauchte und seinen Mandanten bis aufs Blut reizte. Zum Tod meiner Cousine und somit zum erneuten Morden seines ehemaligen Mandanten sagt er gar nichts, er geht darauf überhaupt nicht ein.
Der Tod von Konstantina Ulitsch sei bedauerlich aber unvermeidbar gewesen. Alle hätten ja noch auf Ratajczak eingeredet, versucht ihm klar zu machen, dass die Beziehung entgültig vorbei sei und er das akzeptieren muss. Aber mehr hätte man gar nicht machen können. Und auch Eichenseder weiss genau, was er sagen will und was nicht. Und auch er betreibt im Nachhinein eine Verschleierung der Historie. Die Entlassung Ratajczaks wurde, wie bekannt, kurz nach dem Gutachten und der Auflage, keinen Kontakt aufzunehmen, vom Richter, der noch im Dezember 1983 gesagt hatte, er könne eine Enthaftung des R. nicht verantworten, dann im Januar 1984 doch unterschrieben. Wieso er das dann doch tat? Sicher hat es im Hintergrund irgendwelche Absprachen gegeben, oder der Richter wurde von Anwalt und Gutachter überredet, alles Spekulation.
Winfried Ratajczak, dessen massive Gewaltanwendungen gegen Konstantina Ulitsch im Juni und Juli 83 eine gewisse Hilflosigkeit bei der Justiz hervorriefen, hatte ja schon im Juni/Juli 83 das gelobte Kontaktverbot vollkommen ignoriert, wieso sollte er sich jetzt daran halten?
Der Richter, der sich dann nach der Tat auf das positive Gutachten berief, hätte ihn genau genommen nicht frei lassen müssen. Denn das vom Staatsanwalt im Verfahren im Dezember 83 beantragte Gutachten sollte gar keine Prognose abgeben, das war und ist nicht die Aufgabe eines solchen Gutachtens, sondern nur die Schuldfähigkeit des Untersuchungshäftlings beurteilen. Der Richter hatte ja noch vorher gesagt, er wolle R. nicht aus der U-Haft lassen, denn er könne es nicht verantworten.
Und prompt geschah das vorhersehbare Verbrechen. Was dann Anwalt Eichenseder wirklich gedacht hat und wie es ihm möglich war, erneut die Verteidigung des Winfried Ratajczak aufzunehmen, das bleibt sein Geheimnis. Und klar: er ist Profi.
Als es dann 1985 zum Mordprozess kommt, apelliert er, laut Prozessberichterstattung in seinem Schlussplädoyer sinngemäss an die Geschworenen: „Egal, ob sie auf Mord oder Totschlag entscheiden, bedenken Sie, er hat den Menschen getötet, den er am meisten geliebt hat! . Und prompt sind bei der Abstimmung auf die Fragen an die Geschworenen, zwei Geschworene nicht überzeugt, dass er Konstantina Ulitsch vorsätzlich getötet hätte. Die beiden stimmen mit nein. Natürlich sind das alles Details und vielleicht auch nicht wichtig sie zu erörtern, aber jede einzelne Entscheidung steht in einer Kette von Entscheidungen, die sich gegenseitig beeinflussen.
Er wird wegen Mordes verurteilt, aber er bekommt „nur“ 20 Jahre, obwohl möglich gewesen wäre, ihm ein, in Österreich damals mögliches“ Lebenslänglich“ zu geben. Diese 20 Jahre sind, so erklärt mir eine befreundete Staatsanwältin, soger relativ streng veranschlagt für eine „Beziehungstat“ zur damaligen Zeit. Die Mordmerkmale sind in Wien klar ersichtlich und nicht anzweifelbar. Im Vergleich: Bei der Tötung von Saskia konnte die Kammer 2014 z.B. die „niederen Beweggründe“ und eine planvolle Tötung nicht klar identifizieren oder wollte das nicht. Ja, sie lässt dem Täter doch die Möglichkeit, dass er aus Angst vor der Trennung durchgedreht ist. Also doch auch hier: „Reste von gestern“, ein gewisser Bonus für den Täter, der für sich sprechen kann, während das Opfer eben einfach tot ist.


Die rhethorischen Fähigkeiten des Täters- auch wenn die Kammer 2014 ganz klar sieht, dass er vieles falsch darstellt, haben aber letztlich doch einen untergründigen Einfluss. In seiner Einlassung, seinem „Rückblick“ auf die Zeit vor dem Wiener Mord, mildert und verdreht er auch die Vorwürfe bezüglich seiner Ehefrau in Paderborn, Marion. Der Vorwurf, sie sei aus Angst vor ihm, weil er mit einem Messer vor ihr stand, vom Balkon gesprungen ( es gbt dazu auch ein Aktenzeichen in Paderborn) bezeichnet er als:


„Verleumdung von früherer Frau, Vorwürfe, sie ist persönlicher Feind ab 1984 gewesen. Sie hat sich nicht um Kinder gekümmert. Vorfall angeblicher: sie ist so erschrocken und vom Balkon gefallen. Bedrohung mit Messer nicht zutreffend. Sie wusste, daß ich Messer besaß, als Zimmerschmuck. Sicher bin ich vielleicht verzweifelt gewesen. Besänftigung durch Bruder, Messer nicht gegen sie….Habe Suizidversuch mit Barbituraten….“


Der Anwalt der Nebenklage, Walter Lechner, geht Brenner ganz direkt an und fragt:
„Ist das Lüge ? Lügt die Frau, wenn sie von Gewaltsex spricht? Das entarnt Sie glaubwürdig. Von dem was Sie erzählen, was ist gelogen, was ist Wahrheit?“
Brenner antwortet:


„Keine Aussage, bis auf Nebensächlichkeiten trifft zu, zu keinem Zeitpunkt. So absurde Lügen. Als sie zum ersten Mal aufgetaucht sind, hätte ich sie leicht anzeigen können. Das hat nicht zugetroffen. Hatte Vorfall gegeben, bei dem ich mich im Haus aufgehalten hatte und ihr Vorhaltungen gemacht hatte, sie sie sei keine fürsorgliche Mutter. Die Kindersachen schmutzig, der Haushalt… Sie ist in der Tat auf den Balkon und gesprungen und zur Nachbarin gegangen. Ich wollte weder mit ihr schimpfen noch sonst etwas. Das war ein Unfall“ .


„Sie wußte, daß ich Messer sammle. In den Urlauben Finnenmesser, in Kroatien Messer. Damit habe ich nichts gemacht, geschweige denn jemanden bedroht.Das ist eine unglaubliche Schilderung, die hätte ich ja kennen müssen. Meine Schilderungen sind wirklich war.


Da kann man im Nachhinein, nach den Recherchen zu seinen früheren Beziehungen, nur bitter lachen. In dem Moment aber, als ich im Gerichtssaal sass und seine Aussagen hörte, war ich natürlich auch versucht, ihm zu glauben, da er ja ganz ernsthaft betroffen schien. Aber gerade das ist ja bei ihm nicht einzuschätzen. Über Jahrzehnte wurde seinen Beteuerungen dann doch immer wieder einmal geglaubt und selbst nach dieser vorerst letzten Brutalität seines Lebens, bleibt er bei seinen Selbstdarstellungen:


„Ich kann es nicht erinnern, nur weiß ich, ich war zu tiefst verletzt, zu tiefst verzweifelt, kann mich erinnern von Mozart ein bestimmtes Stück gehört zu haben. Das hat dazu geführt, daß ich ein einziges Mal vielleicht ausgerastet bin.
All diese Vorwürfe, mich betreffend, treffen an keiner Stelle zu. Ich habe ja 20 Jahre ohne Makel gelebt. Wenn ich so abwegig, so krank wäre, müsste dort ja auch etwas vorgefallen sein. Nicht im Ansatz waren Messer im Spiel oder eine Bedrohung. Meine Frau könnte nichts anderes sagen. Bitte, Herr Staatsanwalt !“

Was seine österreichische Ehefrau Marianne B. tatsächlich dazu sagt, wissen wir nicht. Sie antwortete weder auf Schreiben, noch reagierte sie, als wir in Wien bei ihr klingelten.
Er stellt sich als Saubermann und sensibler Ehrenmann dar. Natürlich glaubt ihm die Kammer eigentlich kein Wort, aber alles was er abstreiten und leugnen oder verdrehen kann, weil es ja ohnehin lange in der Verangenheit liegt, das probiert er zumindest. Irgendwen wird er damit schon beieinflussen können. Und wenn es der Prozessberichterstatter oder ein Gutachter ist. Mitleid erwecken, manipulieren, Macht ausüben, das kann er.
Nach seiner Entlasssung 1996 nmmt er sofort Kontakt zu seinen Söhnen auf, versucht diese auf seine Seite zu ziehen. Sohn Kai, ohnehin schon durch seine traumatischen Erlebnisse schwer angeschlagen und drogenabhängig, hält das alles nicht mehr aus und begeht Selbstmord.
Brenner schiebt den Tod seines Sohnes auf die Russenmafia, die seinen Sohn mit einer Plastiktüte erstickt hätte, aber er hätte sich um die genauen Umstände nicht kümmern können. Etwas kryptisch rutscht ihm immerhin die Bemerkung heraus:

„Da habe ich eine Schuld auf mich geladen“.

Was noch ein paar Jahre davor, Anfang der 1970er in Finnland passiert ist, muss er wohl oder übel zugestehen, denn das wurde polizeilich ausführlich protokolliert ( obwohl letztlich in Finnland, mangels Beweisen, keine Strafverfolgung stattfand, sondern nur eine Ausweisung ) :


„… in Finnland ist es, habe ich jetzt nicht mehr im Kopf gehabt, zur Ausweisung gekommen. Es ist zu einem gänzlichen Fehlverhalten gekommen, daß ich meine frühere Frau bedroht und leider- kann es nicht anders sagen, vergewaltigt habe. In diesem Zusammenhang ist als Drohwaffe auch ein Messer gefunden worden.“


Hier ist es zufällig dann doch, das Messer. Obwohl er ja Messer höchstens als Wandschmuck verwendete.
Als er dann im Prozess 2014 auf den Tag der Tat und somit auf Saskias Tod angesprochen wird, scheint er zwar emotional beteiligt und bewegt, aber der Prozessbeobachter fragt sich, ob seine Tränen nicht wirkliches Mitleid und Reue darstellen, sondern theatralische Tränen des Selbstmitleids sind.
So eine extrem narzisstischte Interpretation seiner sozialen Umgebung kann Ursachen in seiner Entwicklung als Kind und Jugendlicher haben. Auch die Verknüpfung von Liebe und extremer Strafe: Wenn sich eine von ihm begehrte Person weigert, ihm unabdingbare Liebe zu geben, sich von ihm abwendet.


Mit dem Kind, das er einmal war, könnte man noch Mitleid haben. Wie aus meinem Gespräch mit seinem Bruder hervorging, war Prügelstrafe in der Familie R. normal, so wie in vielen Familien. Prügelstrafe verbunden mit einer „christlichen“ Nachkriegs- Erziehung. Besonders geschlagen wurden die Söhne vom Vater, wenn sie gelogen hatten, also gewöhnten sie sich an, noch mehr und besser zu lügen. Auch wird das katholische Internat, auf das Winfried zeitweise geschickt wurde, sicher auch seinen Anteil gehabt haben. Das war „normal“. Der Bruder berichtet davon, wie er selber versuchte sexuelle Übergriffe der Padres abzuwehren und dass sein Bruder Winfried auf dem Internat missbraucht worden sei. Alles heute nicht nachweisbar. Dass da „Schuld und Sühne“ das Kind Winfried nachhaltig geprägt haben, ist anzunehmen und darf doch keinesfalls als Entschuldigung für sein späteres Handeln gelten.


„Darf ich ein persönliches Wort vorrausschicken an Freunde und Verwandte: Ich neige mein Haupt vor deren Schmerz und Zorn, ebenso mein Haupt vor der toten Saskia, in tiefster Reue und immerwährender Verzweiflung.“


Zu den Ereignissen des 11./12.8. 2013 beginnt er mit wohl gesetzten Worten eine neue Legende und man merkt deutlich, wie er eigentlich nur um sich selber kreist, seine Ängste und Gefühle ständig in den Vordergrund stellt und eben nicht wahrnimmt, in welcher Situation sich Saskia befand und auch nicht zugibt, dass -laut einer Aussage des Bruders gegenüber der Kripo, die der Richter eher zufällig zitierte- Saskia zu eben diesem Bruder Ernst- Rainer am Telefon, am Nachmittag der Tat, gesagt haben soll: “ Der Winfried hat ein Messer“, „Ich habe Angst zu sterben“, „Jetzt weiss ich, was der Winfried gemacht hat“.

Mir gegenüber im Februar 2020 wusste der Bruder das dann alles nicht mehr so genau.
Leider wollte der Bruder im Prozess nicht als Zeuge aussagen, da er mit Winfried absolut nichts mehr zu tun haben wollte und will und somit konnten seine Aussagen wohl nicht verwertet werden. Das Gericht hätte wohl die Möglichkeit gehabt, über Umwege, seine Aussagen trotzdem verwenden zu können. Diese Mühe hat man sich nicht gemacht. Wir haben diese Protokolle der Kripo leider auch nicht zu Gesicht bekommen, weil wir nicht an Gerichts-Akten von 2013/24 herangekommen sind. Aber Anwalt Lechner, der die Akten ja eingesehen hatte, hatte damals Inhalte aus den Protokollen angedeutet. Auf diesem Hintergrund sind Winfried Brenners weitere Einlassungen geradezu zynisch:


„Wir hatten uns versichert uns noch zu lieben, unbedingt würde eine Aussprache ausstehen. Am Sonntag hatten wir vorgehabt zu sprechen, wie wir zueinander gestellt wären. Die Unsicherheit verbalisieren und ja….. dummerweise sich Mut angetrunken dazu. Ich hatte die Befürchtung, die Trennung ausgesprochen zu hören und das hätte mich sicherlich nicht kalt gelassen. Wir haben uns dann selber zugeprostet in der Küche und haben nach Kaffee und Likör auf den Balkon gewechselt.
Dann hat Saskia Telefonate angefangen. An manchen war ich beteiligt, bei den meisten bin ich daneben gesessen und habe zugehört. Ich habe zunehmend Alkohol genossen und war nicht in der Lage etwas sinvolles zu tun. So verging der Nachmittag mit Trinken und Telefonaten. Ich kann mich erinnern, sie hat mit meinem Bruder gesprochen, mit Kostas aus Berlin, mit dem hat sie ja schon öfters telefoniert. Mein Anliegen zu sprechen wurde nicht eingelöst. In meiner Erinnerung hat sich dann die Stimmung verschlechtert, verdüstert. Die Ängste vor einer Trennung der Beziehung wurden immer intensiver. Ich bin in Gedanken dem gefolgt, der Trennung, habe mir das vorgestellt, hatte jeden Sinn verloren. Ich will das nicht bewerten. Ich wollte ein Ende vollziehen und dem nachkommen indem ich ein Messer, das ich aus meinem Haushalt mitgebracht hatte, im Wohnzimmer an mein Herz gelegt hatte. Ich habe gesagt: „Du hast mich verraten“. Saskia wollte das Messer wegnehmen: „lass das, du bist mein Zwilling“ .Dabei hat sie sich selber an der Hand verletzt. Sie wollte mich auf andere Gedanken bringen. „Komm gehen wir ins Bett“ und hat ihr Höschen ausgezogen. Ich erwiderte: „Ich kann nicht, geht nicht in dieser Sitution“. Ich kann mich nicht erinnern, habe mich ebenfalls entkleidet. Aber das war nicht meine Einstellung zu Liebe, zum Zusammensein. Mir war klar: das ist nicht die Wirklichkeit. Saskia hat sich in einen Sessel gesetzt und dann gesagt, sie gehe noch rasch auf die Toilette. Und dann höre ich die Wohnungstür öffnen und sie hat sich in den Flur gestellt und gerufen: „Hilfe. Hilfe, ich sterbe jetzt“. Sie war nach draußen gelaufen. Wieso ruft sie „Ich sterbe jetzt“?“


Er müsste doch ganz genau wissen, was ihn selber angeht, in so einer Situation: Es wiederholt sich etwas. Aber er geht nicht einfach weg. Hinüber in sein Appartement, auf die Straße, sonstwohin, stürzt sich vor den Zug, vergiftet sich, das könnte er ja tun. Sein Ego ist gekränkt und es muss zufrieden gestellt werden und das geht nur in dem er wieder Macht erlangt und sei es durch die Hinrichtung des Partners.
Die Kontaktaufnahme mit dem Bruder, weist aber deutlich darauf hin, was im Raum gestanden hat. Der Bruder erzählt im Gespräch davon, dass Saskia Angst gehabt hätte zu sterben, dass er sogar nach Prien fahren wollte, aber nicht konnte, es auch nicht wirklich geglaut habe, dass sein Bruder so blöd sein würde, nochmals so etwas zu tun. Ganz genau könne er sich nicht erinnern. Das alles weist darauf hin, dass es keine spontane Gewaltentladung war, sondern sich über Stunden vielleicht hingezogen hat. Die Kammer des Landgerichtes Traunstein hat diese Telefon-Situation mit dem Bruder fast gänzlich übergangen.
Der Bruder wurde als Vermittler hinzugezogen, so wie er wohl des öfteren schon in Konflikt-Situationen seines Bruder Winfried in verschiedenen Beziehungen eine Rolle spielte. Aber auch der Bruder zieht sich heraus, gibt zu, dass es eine kritische Situation gab, am anderen Ende der Leitung in Prien am Chiemsee, aber dass nochmal sowas passieren würde, hätte er nicht vermutet.
Winfried selber stellt dann den eigentlichen Tatverlauf so dar:


„Das habe ich weder gedacht noch gewollt, eigentlich wollte ich sterben. Ich nehme an, ich hatte die Augen geschlossen, stehe mit dem Messer -ich hatte keine Erfahrung mit Messern- gleichzeitig sollte ich das Diktum erfüllen: „Ich sterbe jetzt hier“. Sie war weiter gegangen. Das habe ich nicht beabsichtigt. Augenscheinlich habe ich mit geschlossenen Augen auf dem Gang auf sie eingestochen. Sie ist am Treppengeländer gestanden, dann sinkt sie zusammen. Ich habe versucht sie in die Wohnung zu ziehen. Ich spüre, es hat eine Verwandlung gegeben. Ich greife nach ihr und ich versuche ihr Leben zu finden. Dann habe ich meine Tat bemerkt. Das hat mich hart getroffen.
Wollte mich dann selbst …. habe aber in der Panik das Messer nicht gefunden, bin in meine eigene Wohnung und habe anderes Messer gesucht. Die Nachbarin hat geläutet, ich habe kurz gesagt, es sei alles in Ordnung. Kurz danach hat es geklopft und die Polizei bittet um Einlaß. Ich war im Bad, habe mir die Bauchdecke durchstoßen. Mußte mich spontan entleeren. Habe mir erneut die Bauchdecke durchstoßen um zum Herzbeutel zu gelangen. Es schmerzte gar nicht in der Zeit. Die Polizei hat mich an der Tür zum Badezimmer mit Pfefferspray attakiert. Da war für mich natürlich klar, was ich angerichtet hatte. In dem Sinne bin ich ja auch gestorben, biologisch bin noch noch am Leben. Für mein jetziges Empfinden war es ein erweiterter Selbstmord. Obwohl Saskia jetzt als erste gestorben ist.
Muß dazu sagen: Lügen hätten kein Sinn, ich würde alles zugeben, was als Möglichkeit einzuräumen wäre. Sicher war es eine Ausnahmesituation.


Jetzt wird es wirklich vollkommen grotesk, indem er das Stichwort „Lügen“ selber aufgreift und unglauliche Ausreden und Darstellungen vorbringt. Winfried als Erfüller eines Diktums, als ausführender Helfer ihres Wunsches zu sterben. Wieder so eine rethorische Seifenblase. Er glaubt sich das vielleicht tatsächlich, ist ergriffen von seinem eigenen Schicksaal. Er hat sich alles so zurechtgelegt als tragischer Held, der eigentlich nur das Beste wollte. Ich bitte meine unsachlichen Sarkasmus zu entschuldigen, aber eigentlich spottet er über die Tote und das Gericht kann ihm keinen Einhalt bieten. Anwalt Lechner wird in seinem Schlussplädoyer auf diese Lügenarie und Winfried Brenners Selbstgerechtigkeit eingehen und sehr emotional und über sein Amt hinaus den Angeklagten angreifen und ihm vorwerfen, dass er hier grosse Worte schwingen würde und eigentlich nur ein brutaler Messestecher sei, der sich selbst nicht in Gesicht sehen könnte: „Absolut schäbig, wie Sie sich hier verhalten haben“.
Denn eine sehr wahrscheinliche Annahme der Wirklichkeit dieses Nachmittags ist: Er hatte schon längere Zeit Saskia mit dem Messer bedroht, sie vielleicht sogar weiter telefonieren lassen. Er hatte ihr irgendwann mit dem Tod gedroht, sollte sie aussprechen, dass sie nicht mehr mit ihm zusammensein will ( worüber es wahrscheinlich zwischenden den beiden schon des öftereren Auseinandersetzungen gegeben hatte). Er hatte ihr offenbart, schon einmal eine Frau getötet zu haben, weil diese sich trennen wollte.
Er gibt sogar in der Verhandlung kurz und kryptisch zu, er hätte sie zum Schweigen bringen wollen, er hätte einen drohenden Eklat verhindern müssen. Der Richter fragt an diesen Stellen leider nicht nach.
Er fragt allerdings in Bezug auf das zum angeblichen Selbstmord gezogene Messer, ob er, Brenner, sich damit nicht Liebe erzwingen wollte? Dem Richter und der Kammer ist klar, dass -auch in Anbetracht all der Vortaten und der Hinweise in Saskias Wohnung, in Anbetracht des nackten Opfers, des halbnacktenTäters, eine versuchte Vergewaltigung absolut anzunehmen ist, doch eben ohne Zeugen nicht beweisbar ist, letzlich zur Aburteilung nichts beitragen kann. Sie glauben ihm kein Wort, aber prüfen nur da weiter, wo es um die eigentliche Tat geht. Man drückt aufs Tempo, das Strafmass ist von vornherein kalr, man will die Sache fachgerecht zuende bringen, man hält sich an diffusen Punkten nicht länger auf.
Das kann im Nachhinein noch wütend machen, denn genau hier wird ja letzlich das Opfer und die Situation übergangen, in der sich Saskia befunden hat und die Brutalität und die seelische Grausamkeit, die Winfried schon im Zeitraum vor der eigentlichen Tat herauskehrte. Diese Würdigung ist eben nicht Aufgabe der Verhandlung und das ist bitter. Da es keine Zeugen und Beweismittel gibt, wird im weiteren -kurzen- Verlauf dieses Prozesses nur das Tatgeschehen an sich, der mit zahlreichen Spuren relativ deutlich nachvollziehbare Tatvorgang und dessen Be- und Aburteilung im Mittelpunkt stehen.
Ratajczak beharrt auf seiner Version der Liebes und Verzweiflungs-Tat:

„Ich habe Ihnen geschildert, meine hochgradige emotionale Abhängigkeit. Da besteht kein Zusammenhang zur anderen Tat. Sie war meine Diana. „Du bist meine Göttin“, habe ich gesagt, ohne sie wollte ich nicht leben.“


Auch Konstantina nannte er „Diana“, er wiederholt sich und sein Schema. Und hat sich neue Fantasien überlegt:


„Ich wäre sicherlich bereit gewesen -mit der Zeit- mich komplett zurück zuziehen. Durch ihr „ich sterbe jetzt“ ist überhaupt erst die Situation entstanden. Hätte sie anderes gesagt, hätte ich anderes gemacht. Das habe ich als Aufforderung interpretiert.
„Ich habe mich an keiner Stelle selber geschont bei diesem Geschehen, in diesem Zusammenhang. Es heißt, ich hätte 14 mal zugestochen. Wann habe ich gestochen? Man weiß, man hat zugestochen und dann fällt alles zusammen, erst an der Stelle“


Diese Aussagen machen mich auch beim erneuten Lesen vollkommen sprachlos. Dieser Mensch hat niemals an sich weitergearbeitet, nicht nach dem irren Geschehen in Wien, nicht im Gefängnis, nicht in der Zeit in Freiheit, in der Zeit seiner Beziehung zu Marianne Brenner, die das Glück hatte, nicht die „grosse Liebe“ zu sein, wie es auch der Richter am Schluss des Prozesses anmerken wird. Er ist nach wie vor von sich und seiner Auffassung überzeugt. Er hatte immer hin Einzeltherapie im Gefängnis, außerdem Psychodrama und Entspannungsthearpie und nach seiner Entlassung 1996 bis zum Jahr 2000 eine Therapieauflage und letztlich war er nicht thearpierbar.
Gutachter Professor Nedopil führt in der Verhandlung an, dass der Angeklagte ein sehr intelligenter Mensch sei und u.a. einem Gutachter (wie damals, dem Dr. Gross in Wien) glaubhaft gemacht habe, die Trennung von Konstantina Ulitsch überwunden zu haben. Seine Entlassung damals wäre ein Fehler gewesen. Der Angeklagte könne durch Intelligenz viel kompensieren.
Professor Nedopils Anmerkung weist deutlich darauf hin, wie gross das manipulative Potential des Winfried B. ist und wie er es geschickt in den Dienst seines Egos stellt.


„Als Kind habe ich einmal in einem Traum gesehen, wie sich mein Gesicht verändert und ich ein Idiot geworden bin. Nur ein Idiot kann seine Freundin umbringen.“


Einzig dieser Satz kommt vielleicht einer -wie auch immer gearteten Wahrheit- noch am nächsten.
Das letzte Wort hat der Angeklagte:


„Ich würde alles geben, um das entsetzliche Geschehen ungeschehen zu machen. Ich bin hier Anschuldigungen und Lügen ausgesetzt. Am letzten Tag vor Saskias Tod bin auch ich biologisch gestorben. Saskia war eine ungewöhnliche Frau. Sie hat ohne an sich zu denken in die Klinge gegriffen, Dafür werde ich mich bis zum letzten Atemzug schämen. Danke.“


Und selbst hier probiert er nochmal, sich als verirrter Liebender darzustellen, der aus dem Leben scheiden wollte und unglücklicherweise seine Partnerin dabei tötete, die in selbstlos vor der Selbstrichtung bewahrt hat. Fast möchte man ausrufen: „Ja, warum hast du dich dann nicht umgebracht, sondern Saskia?!“ Winfried will sich als das Opfer der Umstände und seiner sensiblen Liebe sehen. Er hat sich zum Richter ermächtigt, er hat sich eine „license to kill“ erteilt. Er hat das Todesurteil ausgesprochen gegen Konstantina in Wien 1984 und jetzt gegen Saskia 2013 in Prien. Ihr beider Vergehen war, sich von ihm trennen zu wollen, ihm nicht mehr gehören zu wollen. Dafür wurden sie von ihm zumTode verurteilt und von ihm in persona auch ausführender Henker hingerichtet. Dann war er zufrieden denn er hatte gesiegt.
Am Landgericht Traunstein wird er 2014 wegen Totschlags verurteilt zum strafrechtlichen Höchstmass von 14 Jahren. Plus der Option auf Sicherungsverwahrung, da eine weitere Gefährlichkeit anzunehmen ist. Es ist der Kammer da keine Nachlässigkeit vorzuwerfen, das bestätigt auch eine Staatsanwältin. Sie wollten ihn wegpacken und das haben sie auch gemacht. Das Urteil ist revisionssicher.
Und trotzdem: Wenn man selber den Prozess verfolgt hat und im Rückblick jetzt nochmal in Erinnerung ruft dann werden viele Defizite deutlich, die sich auch in der Urteilsbegründung ausdrücken. Die Urteilsbegründung ist ja bekanntlich eine interne juristische Abfassung, die in den Formulierungen stets vorsichtig abwägend sein muss und manche inhaltliche Kompromisse- entgegen der wahrscheinlichen Wahrheit- machen muss. Ich habe mir das lange erklären lassen, denn ich habe diese Begründung als nachträgliche Ohrfeige für Saskia und auch für die anderen Opfer gesehen. Dort sind teilweise die lügenhaften Aussagen des Angeklagten eins zu eins übernommen, weil man im Gericht diese nicht widerlegen konnte. So muss gelten, in dubio pro reo. Und dann steht dort eben, dass z.B. die frühere Ehefrau Marion Zagermann keiner Gewalt ausgesetzt gewesen wäre, obwohl jedem im Saal klar war, wie er sie behandelt haben muss. Aber man hat sich da nicht die Mühe gemacht, dafür z.B. in Paderborn vorhandene Aktenzeichen extra einzusehen etc. Und Marion Zagermann wollte, weil sie schwerkrank war und aus purer Angst vor diesem Mann nicht nach Traunstein kommen. Sie war telephonisch befragt worden. So „konnte sich das Gericht kein eigenes Bild von der Zeugin machen“. Und deshalb wurde niedergeschrieben, dass es keine Gewalt gegen die frühere Ehefrau gegeben habe. Die Vortaten waren sowieso für die Urteilsfindung für die Tat 2013 juristisch nur begrenzt relevant.
Und um auf Nummer sicher zu gehen und keine Revisionsmöglichkeit zuzulassen, hat man eben eine Gewaltanwendung gegen Marion Zagermannn als unwahrscheinlich protokolliert. Das hätte man, sagt auch die befreundete Staatsanwältin, auf alle Fälle zumindest besser abfassen können. So dass, bei aller Revisionssicherheit auch eine Würdigung des und der Opfer aufscheint. Man beliess dem Angeklagten in der Urteils- begründung auch seine Selbstmordabsichten und liess in Frage kommende Vergewaltigungsabsichten unter den Tisch fallen.
Und so wurde -zumindest in diesem Dokument, das zwar nicht für die Öffentlichkeit geschrieben ist, aber doch eine Niederlegung, ein Zeitdokument ist, seiner Perspektive in einzelnen Punkten recht gegeben. Man hat sich nicht die Mühe gemacht, zumindest anklingen zu lassen, was wahrscheinlich am Nachmittag passiert ist, aber im Detail vielleicht nicht nachweisbar. Auf diese Weise hat man ihm dann doch Zugeständnisse gemacht und er hat sozusagen das Gesicht gewahrt. Das Dokument muss lügen, um nicht angreifbar zu sein. Indirekt hat er zum wiederholten Male manipulieren können.
Auch wenn der Angeklagte mit seinen Märchen vom armen Liebenden kein mildes Urteil erfuhr, keinen strafrelevanten Bonus erhielt. Es wurde auf „Totschlag“ geurteilt und war bei genauerer Betrachtung und wenn man z.B. die Aussagen des Bruders von Winfried verwertet hätte- was vieleicht juristisch Mühe gemacht hätte- ein Mord gewesen. Mit vorheriger Androhung. Auch Konstantinas Mutter hatte er damals in Wien, geleich nach seiner Entlassung aus der U-Haft per Telefon bekannt gegeben: „Von dir werden nur ganz kleine Fetzchen bleiben, aber vorher muss ich noch etwas anderes erledigen.“
Es wird klar, dass eben auch 2014 immer noch die letztlich undurchschaubare „Beziehungstat“ im Hintergrund des Denkens und Urteilens stand. Massive Veränderungen sowohl im Bewusst sein der Justiz, als auch in den Möglichkeiten der Auslegung der bestehenden Gesetze, als auch einer Neuabfassung erscheint notwendig. Wäre die gesamte Form des Prozesses mit dem heute doch ausgeprägteren Bewusstsein anders augefallen?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. So erschien es nicht, wenn man es aus Sakias Perspektive sieht. Was nicht wirklich relevant erschien, und wo man während des Prozesses nicht recht weiterkam, obwohl die Fragen im Raum standen wurde pragmatisch und rasch weitergespult, weil ja das Urteil wahrscheinlich ohnehin schon klar erschien. Und das ist der Punkt, der die Würde des Opfers betrifft, denn darauf wurde nicht eingegangen: In welcher Situation befand sich Saskia vor der Tat, die Geiselnahme und Messerbedrohung und versuchte Vergewaltigung vor der Tötung, diese besondere Infamie, hätten geprüft werden müssen, auch wenn sie nichts am Strafmass geändert hätten. Man hätte trotzde die Aussagen des Bruders gegenüber der Kripo zumThema machen müssen, um Winfried Brenner und seine Darstellung widerlegen zu können! Allein aus moralisch/ ethischen Gründen, der Person des Opfers und seinen Angehörigen und Freunden gegnüber. Das hat man nicht gemacht, aus juristischen Gründen oder auch aus Bequemlichkeit oder weil 2014 der Begriff eines Femizid noch gar keine Relevanz hatte.