Die Frage stellt sich gerade mal wieder: Wie deutsch ist denn nun so die ursprüngliche, echte, wirkliche deutsche Kultur ? Ein kurzer Beitrag aus der „Zeit“ vom 7.1.16 zu diesem Thema als audio .
Nach wie vor aktuell ist die Situation, die unsere Generation garade in die Rolle der Pflegenden unserer Eltern bringt. Wie kommt man in zunehmend losen sozialen Zusammenhängen damit klar?
Wie kommen die Alten und Alt-werdenden damit klar, daß sie zunehmend nur noch verwaltet werden, daß auf 20 Senioren, zwei Pfleger kommen, wenn sie nicht zuhause von oft überforderten Angehörigen gepflegt werden können
Von vielen Seiten hört man ähnliches: wird man nach polnischen Pflegerinnen gefragt und nach den Erfahrungen in Krankenhäusern mit speziellen geriatrischen Abteilungen. Manche unserer Eltern sind schon bei Pflegestufe 3 angekommen, bei anderen machen sich erste demenzielle Veränderungen bemerkbar usw.#
Wie wird es uns, unseren Kindern gehen, wenn keine neuen gesellschaftlichen Modelle und Alternativen entwickelt werden?
Untenstehend einige Zitate, aus denen wir ein paar in unserer Produktion verwendet haben.
Zitate aus einem Artikel in der ZEIT „Damit die Würde bleibt“ (12. Mai 2011 Autor : Thomas Vasek)
An schlechten Tagen , erzählt er , steige die Angst in ihm hoch . Dann kommt es vor , daß wieder etwas abbröckelt , dass ihm Namen , Orte und Begriffe velorengehen .
Er sucht die Schlüssel , das Handy , das Portemonnaie ; lässt die Einkaufstüte im Supermarkt liegen
oder bringt die falschen Dinge nach Hause .An guten Tagen malt er , geht mit Freunden spazieren
– oder berichtet anderen von seiner Situation .
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So hatte eine scheinbar völlig apatische Heimbewohnerin zeitlebens ihren Beruf als Schreibkraft geliebt .
Als ihr die Forscher eine alte Schreibmaschine und Papier gaben, fing die Frau nach kurzer Zeit an zu tippen,
bis am Ende alle Blätter vollgeschrieben waren . Auf dem Papier stand zwar nur Buchstabensalat .
Doch als die Frau das letzte Blatt ausgespannt hatte, atmete sie tief ein,
strahlte plötzlich über das ganze Gesicht und sagte nur : “ Da hast du aber was weggeschafft .“
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Ich reiche Herrn Gabler und seinem Tischnachbarn gleichzeitig das Essen an .
Herr Gabler hat einen Meisterbrief als Glaser im Zimmer hängen .
Als er vor fünf Jahren ins damals neu eröffnete Haus im Park kam, war er noch ein flotter Tänzer .
Dann mussten ihm infolge einer Diabeteserkrankung beide Beine amputiert werden .
Heute wirkt er auf den flüchtigen Betrachter wie ein auf den Stoffwechsel reduzierter Körperrest .
Nähere ich mich ihm mit einem Löffel, reißt er den Mund auf und verschluckt unterschiedslos
große Mengen an Nahrung . Nach dem Desert scheint er – mit weit offenem Mund- zu schlafen .
Sacht und etwas verlegen drücke ich seine Schultern .
Da reißt er die Augen auf und schaut mich so – ja : privat – an, daß mir die Tränen kommen .
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Seit fünf Jahren redet Herr Barnstedt nicht mehr . Doch an seinem 90. Geburtstag drehte er sich
ohne erkennbaren Auslöser zu seiner Frau und sagte :“ Hallo, was machtst du denn hier? “
Seitdem hat er bloß hin und wieder “ schöne wache Augen“, sagt seine Frau .
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Die notorisch hungrige Frau Rundersdorf hat da überall am Kuchen genascht ;
die winzige Frau Erlenbruch windet sich in unbeobachteten Momenten die Girlande um den Kopf .
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Frau Vogel wird als Letzte in ihrem Rollstuhl hereingefahren . Sie ist deutlich noch kein Fall für die Palliativ-versorgung . Sie beobachtet und spricht. Gegenüber allen, die ihr näher kommen, ob beim Ankleiden,beim Blutzuckermessen
oder beim Essen- anreichen, ist sie grundsätzlich ausgesprochen biestig . Sie schlägt und spuckt .
„Sie haben heute Geburtstag Frau Vogel!“
-„Das ist mir doch egal, du Arsch !“
Das anwesende Personal singt, was in dieser Situation durchaus verrückt klingt : „Zum Geburtstag viel Glück!“
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Generell versucht man, das Gewicht von Demenzkranken auch in einem späten Stadium auf dem gleichen Niveau zu halten.
Kann Gewichtsverlust nicht verhindert werden, wird meist, falls keine Patientenverfügung das ausschließt, eine Magensonde eingesetzt.
Das schreckliche Wort vom Verhungern reicht fast immer, jede ethische Diskussion zu beenden .
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Zukünftig wird es immer mehr Demenzkranke geben. Das liegt nicht daran, dass die Krankheit sich wie eine Infektion ausbreitet .
Der Anstieg ist schlicht die Folge unserer Wohlstandsgesellschaft, die uns ein längeres Leben beschert.
Die Wahrscheinlichkeit an einer Form der Demenz zu erkranken, steigt mit fortschreitendem Alter.
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(….)Traditionell sind unsere Konzepte von Autonomie und Personalität eng geknüpft an das Vernunftsvermögen .
Nach Kant ist es die Vernunftsfähigkeit, die Menschen von den Tieren unterscheidet- und letztlich ihre Würde begründet( …..)
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Zitate aus Arno Geigers Buch : Der alte König in seinem Exil .
….Diese Toten dürften jahrelang im Dunkeln weitergflüstert haben, Tote, die flüstern, tun es eindringlich und eigensinnig .
Würde abgestimmt, was schöner ist, tot oder lebendig, würden die Toten, die in der Mahrheit sind für den Tod votieren .
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….gab es immer öfter Tage , an deren Ende alle reif für die Zwangsjacke waren .
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In einem Klima des Unberechenbaren war die Spannung teilweise kaum zum Aushalten( ….) , die verfahrenen Beziehungen zwischen dem Vater und einzelnen seiner
Betreuerinnen lieferten der Krankheit zusätzliche Nahrung . Die Betreuenden stießen rasch an ihre Belastungsgrenzen, das wirkte sich negativ auf den Vater aus.
Die Abwärtsspirale drehte sich. Das ging schon in der Früh los, man konnte ihm nichts recht machen, das erste, was der Vater sagte, war von der Art :
„Wenn du wüßtest, wie ich hier mißhandelt werde .“
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Seit einiger Zeit konnte er den Fernseher nicht mehr als eigene Realität erkennen . Er fragte, wie es sein könne, dass dort, wo er hinschaute, das eine Mal ein ihm unbekanntes Zimmer zu sehen war und im nächsten Moment ein Auto .
„Wie kommt jetzt das Auto hier herein?“
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-Papa, was war die glücklichste Zeit in deinem Leben?
-Als die Kinder klein waren
-Du und deine Geschwister ?
-Nein , meine Kinder .
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– Weißt du, ich bin auch schon ein älterer Knabe. Dagegen bist du ein junger Hupfer.
– Wo du recht hast , hast du recht .
– Da ist einiges an mir alt geworden
-Aber so alt man wird, man lernt immer noch etwas dazu.
– Ich nicht, leider . Bei mir ist nichts mehr drin. Und ich wäre sehr froh, wenn ich bald-bald-bald- hier nicht mehr einspringen müsste. Ich würde lieber ein Stückchen gehen und nichts tun.
– Du darfst nichts tun soviel du willst .
– Wenn du wüsstest . Ständig muß ich Sachen zusammenwinkeln.
Aber ich will bald damit aufhören.
Dieser Text ist der Versuch eine Tat, die sich eben nicht, wie sonst, im T V oder in den Schlagzeilen der Abendzeitung, sondern im persönlichen Umfeld ereignet hat, als Abriss skizzenhaft in Worte zu fassen. Der Text war eingebunden in zwei Texte von Daniil Charms und die Bearbeitung des Liedes „sleep now“ von Samuel Barber. ( siehe Video Auschnitte unter ; http://vimeo.com/82241834 )
„Eine ganz normale Person“
Winfried B. 64 Jahre, Computer -Fachmann, aber im Frühjahr 2013 arbeitslos, hat
in der Bauernbergerstraße 10, in Prien am Chiemsee
in einem etwas auf der Anhöhe gelegenen, schlichten Mehrparteienhaus im Stil der 60er, ein Einzimmerappartement gemietet
seine Wohnungsnachbarin im 1.Stock ist Saskia Steltzer,
63 Jahre, zwei erwachsene Kinder, eine Enkeltochter, Journalistin, Autorin, zuletzt Mitarbeiterin des Fraunhoferinstituts
Sie ist im Januar 2013 in das Nachbarappartement gezogen .
S. Steltzer , in Trennung von ihrem bisherigen Ehemann, sucht eine neue Heimat , hat Freunde in der Gegend, die sie willkommen heißen, ihr beim Umzug helfen.
Ihre Bekannten schildern sie als intelligent, sozial, impulsiv kreativ und Politik und Kultur -interessiert aber auch mit vielen Höhen und Tiefen kämpfend.
Die Appartementnachbarn lernen sich kennen, sie leiht ihm ihr Auto, er repariert ihr den PC.
Ende Februar sind sie ein Paar.
In Telefonaten mit ihrem Cousin in diesen Wochen, zeigt sie Freude und Begeisterung über ihren „Liebhaber“ wie sie ihn anfangs tituliert, der ihr auch hilfreich zur Seite stehe.
Nach dem Besuch einer Kulturveranstaltung in München ist das Paar in der Wohnung von Saskia Steltzers Cousin am Gollierplatz 14 übernacht zu Gast.
Winfried B. macht an einen zurückhaltenden, freundlichen und intelligenten normalen Eindruck.
Das Paar Saskia Steltzer und Winfried Brenner unternimmt in den folgenden Wochen Reisen nach Lissabon und Kroatien
Saskia Steltzers Sohn Max, der gerade in Berlin selber Vater wird, macht sich Sorgen weil
der Kontakt zu seiner Mutter plötzlich abgebrochen ist.
Saskias Cousin beruhigt Max: Er hätte sie ja vor kurzem noch gesehen mit ihrem neuen Freund und es scheine ihr ganz gut zu gehen, Max bräuchte sich da keine Sorgen zu machen.
Dann allerdings hört auch Saskia Cousin längere Zeit nichts von ihr. Auf e-mails und SMS erfolgt keine Antwort.
Später berichten Freunde, bei denen das Paar in Kroatien zu Gast war, sie seien etwas überstürzt dort wieder abgereist . Es hätte eine ungute Spannung zwischen Gastgebern und Gästen gegeben.
Andere Freunde erzählen, er hätte sie abgeschottet, Kontakte unterbunden, sie absorbiert.
Anfang August dann eine SMS an ihren Cousin:
Sie sei längere Zeit sehr krank gewesen aber jetzt gehe es ihr wieder besser und man würde sich bald im Theater sehen .Die Nachfrage nach der Art der Krankheit wird nicht beantwortet.
Sohn Max hatt Ende Juli, Anfang August.auch wieder öfter Kontakt zu seiner Mutter, vorherige Verstimmungen schienen vergessen.
Sie schickte Spielzeug nach Berlin, für die am 26. Mai geborene Enkeltochter und freute sich diese bald einmal zu sehen.
Der Nachmittag des 11. August: Sie meldet sie sich am Handy bei ihrem Cousin, spricht über verschiedene Ideen und über mögliche Projekte,( kündigt einenText über Freundschaft an, den sie teilweise schon geschrieben hätte, sie würde gerne daraus ein Theaterstück entwickeln.
(das würde ihr Spaß machen, das würde sie gerne machen.)
Ihre Stimme (klingt allerdings etwas) schwammig (und) sehr aufgekratzt und
sie wiederholt sich, des öfteren .
Äußert auch negative/wegwerfende Kommentare in Bezug auf ihre sozialen Bindungen.
Unvermittelt unterbricht ihr Freund Winfried kurz das Telefonat
lobt die Ideen und Texte und gibt wieder zurück an Saskia. man verabredet sich zu treffen und die Texte anzusehen.
Wie die Polizei später feststellt versucht sie
innerhalb der nächsten Stunde auch ihre Tochter Judith zu erreichen, ruft außerdem noch einen alten Freund in Berlin an.
Auch da schaltet sich wieder Winfried kurz dazwischen
Ein Tag später, am Montag, dem 12., am frühen Nachmittag erfährt Saskias Cousin von Sohn Max, daß Saskia Steltzer umgebracht wurde.
Anscheinend mit einer Anzahl Messerstiche.
. Nachbarn hätten Schreie und Tumult gehört,
Sie muß sich noch gewehrt haben
hörten sie “ Hau ab, hau ab!“ schreien
Die Polizei war wohl in wenigen Minuten vor Ort, mußte sich dann gewaltsam Zugang zur Wohnung verschaffen
Winfried B. bedrohte die Beamten und mußte überwältigt werden
Am 16. August, nachdem Rechtsmedizin und Kripo die Leiche freigegeben haben, liegt sie im Bestattungsinstitut Hartl in Prien in der Beilhackstraße (deren Verlängerung den Berg hinauf in die Bauernbergerstraße führt
Von der Tat sind nur am Hals zwei kleinere Wundmale und am Kopf eine Wunde zu sehen, alles andere ist durch das Leichenkleid verdeckt/ kaschiert
Nach Freigabe der Wohnung durch die Kripo und vorgenommener Tatortreinigung
ist das Betreten der Wohnung durch die Angehörigen notwendig
Sohn Max und Saskia Steltzers Cousin müssen die Sichtung von Dokumenten und einige Zeit später auch mit Hilfe von Freunden Saskia Steltzers das Ausräumen der Wohnung vornehmen.
Tagebücher, Briefe, Fotos kommen zum Vorschein Erinnerungsgegenstände, Tablettenschachteln zahlreiche Bücher zu Traumabewältigung und verwandten Themen wie gewaltfreier Kommunikation.
Die Verbindung des Opfers zu seinemspäteren Mörder erscheint immer rätselhafter:
Warum erteilten sie sich gegenseitig , schon nach einem Monat der Bekanntschaft Kontovollmachten?
Ein auf einem Schreiblock entworfener Liebesbrief an Winfried datiert Anfang März.
Hat es später Trennungsabsichten gegeben?
Im Schlafzimmer auf dem Boden,zwischen Bett und Bücherregal hat Winfried B. einen riesigen Flachbildchschirm aufgebaut, daneben seine DVDsammlung gestapelt
Dort auf dem Boden zwischen Bett, TV und Bücherregal muß sie gelegen haben, dort hat die Tatortreinigung einen Quadratmeter Bodenteppich herausgeschnitten.
„Ich sterbe lieber frei und in Bewegung als vor der verblödenden Glotze“ hatte sie in einer Kladde ein paar Jahre früher notiert.
Den aufgerolleten Tatort-Teppichrest wird ihr Cousin dann nach dem Ausräumen der Wohnung auf den Wertstoffhof fahren und dort im entsprechen Container entsorgen
Vor der durch die Kripo versiegelten Wohnungstür Winfried Brenners findet sich weiterhin Post : Lufthansa Werbung für
Miles and more… der PC Spezialist ,eine Fachzeitschrift
Der Kriminallkomissars der den Inhalt des Telefongespräches von Saskia Steltzer mit ihrem Cousin zu Protokoll nimmt , zeigt auf seinem Bildschirm das Foto Winfried Brenners in Gefängniskleidung. frontal und beide Profile,
Auf seinem Gesicht, in seinem Blick keine Spuren einer Tat.
Der Komissar ruft ein paar Informationen zu Winfried B. ab und sagt : Nichts Auffälliges bisher, gar nichts, alles ganz normal.
Kabarettistische Eigenproduktion mit Catalina Navarro-Kirner , Katrin Bahr und Franz Josef Walter am Klavier in der Fassung von 2012 . Aus aktuellen Anlässen ist dieser Abend ganz neu gestaltet ( Siehe aktuelle Aufführung im Bahnhof Steinebach und im Mai 2013 im Fraunhofertheater )
Ausschnitte aus dem „Kaba-Reh“-Auftritt vom 2.5.12. im Theater im Fraunhofer


Peter Albers , Ilena Gwisdalla, Arno Friedrich Fotos: Hilda Lobinger
Hervorgegangen aus einer Performance im Rahmen der „Westendstudios 10“ beschäftigt sich das Projekt „mit der Zeit werden wir fertig“
mit dem Umgang mit der Alterspyramide :
In einer zunehmenden Single und Selbstverwirklichungsgesellschaft tauchen immer mehr Fragen über den Umgang mit den Menschen auf, die nicht zu den „golden oldies“ gehören oder gehören werden und in die Zukunft gedacht sind das auch Fragen, die den gesellschaftlichen und privaten Umgang mit uns selbst betreffen.
Wie ist denn das später im Heim , darf man nochmal „born to be wild“ hören oder hat man die Selbstmordoption zu wählen ?


Ilena Gwisdalla, Peter Albers, Arno Friedrich / Katrin Bahr, Arno Friedrich Fotos: Hilda Lobinger
