Dieser Text ist der Versuch eine Tat, die sich eben nicht, wie sonst, im T V oder in den Schlagzeilen der Abendzeitung, sondern im persönlichen Umfeld ereignet hat, als Abriss skizzenhaft in Worte zu fassen. Der Text war eingebunden in zwei Texte von Daniil Charms und die Bearbeitung des Liedes „sleep now“ von Samuel Barber. ( siehe Video Auschnitte unter ; http://vimeo.com/82241834 )
„Eine ganz normale Person“
Winfried B. 64 Jahre, Computer -Fachmann, aber im Frühjahr 2013 arbeitslos, hat
in der Bauernbergerstraße 10, in Prien am Chiemsee
in einem etwas auf der Anhöhe gelegenen, schlichten Mehrparteienhaus im Stil der 60er, ein Einzimmerappartement gemietet
seine Wohnungsnachbarin im 1.Stock ist Saskia Steltzer,
63 Jahre, zwei erwachsene Kinder, eine Enkeltochter, Journalistin, Autorin, zuletzt Mitarbeiterin des Fraunhoferinstituts
Sie ist im Januar 2013 in das Nachbarappartement gezogen .
S. Steltzer , in Trennung von ihrem bisherigen Ehemann, sucht eine neue Heimat , hat Freunde in der Gegend, die sie willkommen heißen, ihr beim Umzug helfen.
Ihre Bekannten schildern sie als intelligent, sozial, impulsiv kreativ und Politik und Kultur -interessiert aber auch mit vielen Höhen und Tiefen kämpfend.
Die Appartementnachbarn lernen sich kennen, sie leiht ihm ihr Auto, er repariert ihr den PC.
Ende Februar sind sie ein Paar.
In Telefonaten mit ihrem Cousin in diesen Wochen, zeigt sie Freude und Begeisterung über ihren „Liebhaber“ wie sie ihn anfangs tituliert, der ihr auch hilfreich zur Seite stehe.
Nach dem Besuch einer Kulturveranstaltung in München ist das Paar in der Wohnung von Saskia Steltzers Cousin am Gollierplatz 14 übernacht zu Gast.
Winfried B. macht an einen zurückhaltenden, freundlichen und intelligenten normalen Eindruck.
Das Paar Saskia Steltzer und Winfried Brenner unternimmt in den folgenden Wochen Reisen nach Lissabon und Kroatien
Saskia Steltzers Sohn Max, der gerade in Berlin selber Vater wird, macht sich Sorgen weil
der Kontakt zu seiner Mutter plötzlich abgebrochen ist.
Saskias Cousin beruhigt Max: Er hätte sie ja vor kurzem noch gesehen mit ihrem neuen Freund und es scheine ihr ganz gut zu gehen, Max bräuchte sich da keine Sorgen zu machen.
Dann allerdings hört auch Saskia Cousin längere Zeit nichts von ihr. Auf e-mails und SMS erfolgt keine Antwort.
Später berichten Freunde, bei denen das Paar in Kroatien zu Gast war, sie seien etwas überstürzt dort wieder abgereist . Es hätte eine ungute Spannung zwischen Gastgebern und Gästen gegeben.
Andere Freunde erzählen, er hätte sie abgeschottet, Kontakte unterbunden, sie absorbiert.
Anfang August dann eine SMS an ihren Cousin:
Sie sei längere Zeit sehr krank gewesen aber jetzt gehe es ihr wieder besser und man würde sich bald im Theater sehen .Die Nachfrage nach der Art der Krankheit wird nicht beantwortet.
Sohn Max hatt Ende Juli, Anfang August.auch wieder öfter Kontakt zu seiner Mutter, vorherige Verstimmungen schienen vergessen.
Sie schickte Spielzeug nach Berlin, für die am 26. Mai geborene Enkeltochter und freute sich diese bald einmal zu sehen.
Der Nachmittag des 11. August: Sie meldet sie sich am Handy bei ihrem Cousin, spricht über verschiedene Ideen und über mögliche Projekte,( kündigt einenText über Freundschaft an, den sie teilweise schon geschrieben hätte, sie würde gerne daraus ein Theaterstück entwickeln.
(das würde ihr Spaß machen, das würde sie gerne machen.)
Ihre Stimme (klingt allerdings etwas) schwammig (und) sehr aufgekratzt und
sie wiederholt sich, des öfteren .
Äußert auch negative/wegwerfende Kommentare in Bezug auf ihre sozialen Bindungen.
Unvermittelt unterbricht ihr Freund Winfried kurz das Telefonat
lobt die Ideen und Texte und gibt wieder zurück an Saskia. man verabredet sich zu treffen und die Texte anzusehen.
Wie die Polizei später feststellt versucht sie
innerhalb der nächsten Stunde auch ihre Tochter Judith zu erreichen, ruft außerdem noch einen alten Freund in Berlin an.
Auch da schaltet sich wieder Winfried kurz dazwischen
Ein Tag später, am Montag, dem 12., am frühen Nachmittag erfährt Saskias Cousin von Sohn Max, daß Saskia Steltzer umgebracht wurde.
Anscheinend mit einer Anzahl Messerstiche.
. Nachbarn hätten Schreie und Tumult gehört,
Sie muß sich noch gewehrt haben
hörten sie “ Hau ab, hau ab!“ schreien
Die Polizei war wohl in wenigen Minuten vor Ort, mußte sich dann gewaltsam Zugang zur Wohnung verschaffen
Winfried B. bedrohte die Beamten und mußte überwältigt werden
Am 16. August, nachdem Rechtsmedizin und Kripo die Leiche freigegeben haben, liegt sie im Bestattungsinstitut Hartl in Prien in der Beilhackstraße (deren Verlängerung den Berg hinauf in die Bauernbergerstraße führt
Von der Tat sind nur am Hals zwei kleinere Wundmale und am Kopf eine Wunde zu sehen, alles andere ist durch das Leichenkleid verdeckt/ kaschiert
Nach Freigabe der Wohnung durch die Kripo und vorgenommener Tatortreinigung
ist das Betreten der Wohnung durch die Angehörigen notwendig
Sohn Max und Saskia Steltzers Cousin müssen die Sichtung von Dokumenten und einige Zeit später auch mit Hilfe von Freunden Saskia Steltzers das Ausräumen der Wohnung vornehmen.
Tagebücher, Briefe, Fotos kommen zum Vorschein Erinnerungsgegenstände, Tablettenschachteln zahlreiche Bücher zu Traumabewältigung und verwandten Themen wie gewaltfreier Kommunikation.
Die Verbindung des Opfers zu seinemspäteren Mörder erscheint immer rätselhafter:
Warum erteilten sie sich gegenseitig , schon nach einem Monat der Bekanntschaft Kontovollmachten?
Ein auf einem Schreiblock entworfener Liebesbrief an Winfried datiert Anfang März.
Hat es später Trennungsabsichten gegeben?
Im Schlafzimmer auf dem Boden,zwischen Bett und Bücherregal hat Winfried B. einen riesigen Flachbildchschirm aufgebaut, daneben seine DVDsammlung gestapelt
Dort auf dem Boden zwischen Bett, TV und Bücherregal muß sie gelegen haben, dort hat die Tatortreinigung einen Quadratmeter Bodenteppich herausgeschnitten.
„Ich sterbe lieber frei und in Bewegung als vor der verblödenden Glotze“ hatte sie in einer Kladde ein paar Jahre früher notiert.
Den aufgerolleten Tatort-Teppichrest wird ihr Cousin dann nach dem Ausräumen der Wohnung auf den Wertstoffhof fahren und dort im entsprechen Container entsorgen
Vor der durch die Kripo versiegelten Wohnungstür Winfried Brenners findet sich weiterhin Post : Lufthansa Werbung für
Miles and more… der PC Spezialist ,eine Fachzeitschrift
Der Kriminallkomissars der den Inhalt des Telefongespräches von Saskia Steltzer mit ihrem Cousin zu Protokoll nimmt , zeigt auf seinem Bildschirm das Foto Winfried Brenners in Gefängniskleidung. frontal und beide Profile,
Auf seinem Gesicht, in seinem Blick keine Spuren einer Tat.
Der Komissar ruft ein paar Informationen zu Winfried B. ab und sagt : Nichts Auffälliges bisher, gar nichts, alles ganz normal.




